„Wer zu früh kommt….

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…ist auch unpünktlich!“ Mit dem Spruch hat sich mal ein Pilot aus dem Cockpit gemeldet, nachdem uns ein Orkan eine Stunde schneller als vorgesehen aus New York nach Frankfurt geblasen hatte und wir schaukelnd Warteschleifen über Waldhessen drehten. Wenn schon zu früh, dann wenigstens richtig, dachte ich mir und bin knapp eine Woche vor dem Berlin Marathon schon mal durchs Ziel am Brandenburger Tor gelaufen. Allerdings ohne Warteschleifen im östlichen Tiergarten, denn ich war schon im Anflug aufs Brandenburger Tor ziemlich am Boden…aber alles schön der Reihe nach.

In den vergangenen Wochen standen vor allem die langen Läufe auf dem Programm. Nach einem „Berglauf“ im Heidelberger Odenwald vor zwei Wochen…oh tat das in den Oberschenkeln weh am nächsten Tag…habe ich vergangenes Wochenende versucht, von Potsdam nach Berlin zu laufen.

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Irgendetwas muss man sich ja ausdenken für die langen Läufe, denn ansonsten kann das auch ganz schön öde werden. Allerdings haben ein paar Triathleten meinem Plan ein jähes Ende bereitet…am Einstieg in den Kronprinzessinnenweg flatterten im Grunewald rotweisse Absperrbänder – Fahrradstrecke für den Triathlon. Wohl einen Augenblick zu lang habe ich mit dem Gedanken gespielt, mich einfach unter der Absperrung durchzumogeln. Schon baute sich ein beleibter Verkehrspolizist aus der Hauptstadt vor mir auf: „Det is heut‘ awer JAAAAANNNNZZZ schlecht! Lofen’se am besten wieder Retouré.“ Is ja echt ’n dicker Hund, ey, aber allet Jenöle hilft ja nüscht…also hab ich einfach kehrt gemacht und als ich nach 30 Kilometern wieder in Babelsberg war, fühlten sich meine Waden ohnehin an, als wäre ich gerade durch ein Kneipbecken mit siedendem Tabasco gewatet… Aber der Langstreckenlauf lehrt ja Geduld…und das Brandenburger Tor steht ja vermutlich noch ne Weile. Diesen Montag war es dann soweit…Wetter passt, Zeit frei geschlagen, den inneren Schweinehund in den Kleiderschrank gesperrt, Schuhe an und los. Mein Ziel: Zu Fuß ins Büro am Berliner Gendarmenmarkt – mit vorherigem Zieleinlauf durchs Brandenburger Tor…und schon im ersten Streckenabschnitt hatte jemand diese Botschaft aufgehängt….ich konnte aber nicht klären, ob ich für diesen Lauf nun zu früh, oder zu spät dran war.

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Gleichzeitig sollt es ein letzter Test für die Schuhe sein… Ach ja….ich hab sie! Die Schuhe für Chicago! Nach einer mehrwöchigen Schuh-Krise, die mir in jeder Frauengruppe verständnisvolles Kopfnicken eingebracht hätte – um mal ein paar natürlich haltlose Klischees aus den unteren Schubladen des Geschlechterkampfs zu bedienen, stand ich irgendwann vor meinem Regal voller Turnschuhe und kam zu dem Schluss: Ich habe keine Schuhe! Beim Schuhhändler meines Vertrauens habe ich dann meine Schuhsammlung ausgekippt und ein Geständnis abgelegt: „Ich glaube ich habe einen Knall…“ Nach fachmännischer Beurteilung der Kandidaten für den Marathon, dann die schlecht-schlecht-gute Nachricht…kein Knall; zwei von drei Paar waren tatsächlich durch und dürfen künftig noch für Parkrunden oder zur Gartenarbeit an die Luft. Das dritte Paar ist zwar noch gut, aber für den Marathon einfach zu klein, denn die Füße latschen sich dabei dermaßen breit, dass man auf jeden Fall zwei Nummern größer als gewöhnlich einplanen muss. Ansonsten riskiert man einen Bluterguss unter den Zehennägeln, die sich dann später ablösen…hatte ich bereits einmal an zwei Zehen….tut nicht wirklich weh….aber schön ist was anderes. Wir sind uns dann relativ schnell einig geworden: Der adidas Ultraboost ist der Schuh meiner Wahl – bliiiiitzhässlich – aber egal – das Laufgefühl auf Asphalt und harten Böden ist genial!

Mit den neuen Schuhen am Fuß ging’s dann auch weiter nach Wannsee und durch den Grundwald immer weiter Richtung Norden. Und als nach 25 Kilometern irgendwann der Funkturm vor mir auftaucht fühlt sich Mensch und Material noch erstaunlich passabel an.

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Der „Lange Lulatsch“, wie die Berliner den 147 Meter hohen Funkturm nennen, wurde 1926 zur Funkausstellung eingeweiht. Mit der Ausstrahlung des ersten Fernsehbilds in Deutschland (1929) und des weltweit ersten regulären Fernsehprogramms (1935) hat der Funkturm nicht nur Technikgeschichte geschrieben; er scheint auch sehr solide konstruiert: Im Zweiten Weltkrieg beschädigten Bomben einen der Hauptpfeiler der 400 Tonnen schweren Stahlkonstruktion und der Turm stand anschließend nur noch auf drei statt auf vier Beinen – aber er blieb trotzdem stehen.

Mein Lauf geht jetzt an der Messe vorbei durch Lärm, Abgase und 1000 Besucher aus – wahrscheinlich – China und einem Megastau rund ums Messegelände. Dort findet laut Plakaten gerade die Immotrans statt, eine Leitmesse für Verkehrstechnik. „Sehr überzeugend“, geht mir so durch den Kopf, denn die Experten für Bus und Bahn reisen anscheinend alle lieber mit dem Auto an. Na dann…Weiter geht’s die Kantstrasse runter……Ampeln, Fußgänger, Busse, Taxis…in den Baustellen rund um den Bahnhof Zoo wird die Strecke… „unlaufbar“, falls es dieses Wort gibt…jedenfalls kann man nur noch gehen. Und ich muss gestehen, dass die Laufpause auch ganz gut tut…denn inzwischen saugen mir irgendwelche bösen Männchen mit kleinen Röhrchen die Kraft aus den Oberschenkeln. Aus jeder Ecke dünstet jetzt Bratwurstfett, schales Bier und Döner…sonst ja gerne auch mal genommen…aber jetzt mir wird mir allein bei dem Gedanken an Currywurst speiübel.

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Hinterm Zoo muss ich dann auf die Zähne beissen, um nochmal anzutraben und die letzten Kilometer anzugehen. Tiergarten, rauf auf die Strasse des 17. Juni, rum um die Siegessäule und dann, nach ziemlich genau 32 Kilometern, taucht es endlich auf, das Brandenburger Tor! Ich laufe durch…und stehe etwas verloren zwischen Touristen, Bierbikes, Kleinkünstlern, die Faxen für die Touris machen, Transparenten für oder gegen irgendwas, und dahinter noch mehr Touristen…tja, wer zu früh kommt, ist eben auch unpünktlich. (Erkenntnis 2016/17). Ich blende den Trubel einfach aus, kaufe mir eine Flasche Wasser und gehe weiter ins Büro.

Da ich den Andreas wahrscheinlich vor dem Berlin Marathon nicht mehr sehe: Ich drück Dir (und allen anderen PLC’lern) die Daumen, dass Du am Sonntag leichten Fusses durchs Brandenburger Tor kommst. Ich habe ja noch zwei Wochen länger Zeit….zumindest habe ich jetzt die Gewissheit, dass ich bis Kilometer 30 kommen werde. Irgendwo danach steht er dann, der Whippingpost! Oder frei nach der britischen Komikergruppe Monty Python:
„Zur Kreuzigung?“
„Ja“
„Zur Tür hinaus, linke Reihe, jeder nur ein Kreuz.“
„Kreuzigung ist grausam.“
„Ja, aber wenigstens ist man dabei an der frischen Luft.“

Irgend etwas wollte ich doch noch über Engel sagen….ich weiß jetzt gerade gar nicht, wie ich von Kreuzigung auf Engel komme, ach ja..wegen der Briten…es wird nämlich Zeit sich bei einem Engländer zu entschuldigen, dem ich viele Jahre Unrecht getan habe:

One More Tune 17/Robbie Williams/Angels

Er mag vielleicht nicht der größte Musiker unter der Sonne sein, aber als Entertainer ist dieser Mann mit den verschwitzen Haaren und der knitterigen Jacke allerste Sahne. Wer es schafft, so viele Menschen dazu zu bringen, gemeinsam ein Lied über die Liebe zu singen, hat in meinen Augen mehr für deren Seelenheil und den Weltfrieden erreicht, als der ganze Haufen Nächstenliebeapostel und Achtsamkeits-Deppen zusammen. Also lieber Robbie Williams…ich nehme alles zurück und behaupte fortan das Gegenteil. Dein Song „Angels“ kommt auf die Playlist für Chicago…weil er so schön ans Herz geht :).  Das Konzert fand übrigens im Jahr 2003 im Garten der Familie Lytton in Knebworth House statt. Das liegt in der englischen Grafschaft Hertfordshire, und man sollte weder die Engländer noch ihre Landadeligen unterschätzen. In Knebworth spielten seit 1974 unter anderem Led Zeppelin, Pink Floyd, Genesis, Queen, Deep Purple, Oasis, die Red Hot Chilli Peppers und natürlich die unvermeidlichen Rolling Stones. Ich war kein einziges Mal dabei und bei mir im Garten spielen in ähnlicher Lautstärke höchstens die Nachbarskinder.

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